
Ein unvergessliches Erlebnis
„We survived the Gibb River Road“ prangt als neuer Aufkleber auf unserem Reisenotebook. Klingt dramatischer als es war. So ganz auf Nervenkitzel mussten wir allerdings nicht verzichten.
Kurz das Setting: Die Gibb-River-Road ist die einzige Straße, die quer durch die Kimberly Region im Nordwesten Australiens führt. Ungefähr auf der Hälfte der ca. 647 km langen Schotterstrecke führt zusätzlich die Kalumburu Road als Stichstraße ca. 250 km nach Norden bis an die Küste. (Selbstredend gibt es nirgendwo Handyempfang, so dass wir euch erst jetzt mal wieder an unseren Erlebnissen teilhaben lassen können. Wird wohl ein etwas längerer Beitrag.) Während der Regenzeit ist die gesamte Gegend nur aus der Luft zu erreichen. Erst wenn in der Trockenzeit die Flüsse abschwellen, wird das Gebiet für 4WD Fahrzeuge erreichbar. Die Strecke ist seit ein paar Wochen (planmäßig) offen. Das Auto ist vollgetankt und vollgestopft mit Wasserkanistern und Lebensmitteln. Im Juni gibt es statistisch nur einen Regentag. Wir sind startklar!

Am letzten Abend in El Questro beginnt es heftig zu regnen. Kein Grund sich Sorgen zu machen. Alles im Rahmen der Statistik. Also noch die Wanderung zum wunderschönen Emma Gorge „zwischengeschoben“ und auf ins große „Abenteuer“ Gibb-River-Road. Mit etwas Bammel nähern wir uns dem ersten Hindernis – der Querung des krokodilverseuchten Pentecost River. (Hier wird explizit vor dem sonst im Zweifel empfohlenen Durchwaten der Fahrrinne „abgeraten“!) Was hatten wir nicht im Vorfeld zu diesem Abschnitt alles recherchiert. Vor Ort erwartet uns eine traumhafte Kulisse und eine dank Betonverstärkung und niedrigem Wasserstand eher unspektakuläre Passage.

Das war ja einfach. Unser Selbstvertrauen steigt. Die weitere Strecke ist auch sehr gut mit 60-80 km/h befahrbar. Meist fester Schotter mit gelegentlichen Furten und einigen leichten „Corrugations“ (Wellblechpiste). Die Ellenbrae Station empfängt uns mit frischen Scones, Clotted Cream und jam. Da können wir nicht nein sagen. Der Tag lief schon mal super. So kann es weitergehen. Die ganze Nacht hindurch ist im Norden heftigstes Wetterleuchten zu sehen.

Am nächstenTag ist das Ziel der King Edward River Campground, der sich genau hinter besagtem Fluss befindet. Ein Detail, dass sehr bald hochrelevant werden würde. (Für Henning: „Von nun an überschlagen sich die Ereignisse …“) Wir verlassen die „Gibb“ und bemerken, dass die Kalumburu Road nach Norden ein ganz anderes Kaliber ist. Weniger Touristen = weniger „Maintenance“ = mehr und heftigere Corrugations. Zudem wird die Straße immer feuchter, was hier bedeutet: roter Schlamm! „Immer in Bewegung bleiben“ ist bei den besonders heftigen Passagen das Motto. „Fully decorated“ erreichen wir nach ca. 60 km die Drysdale River Station, die letzte Tankmöglichkeit für den kommenden 2x190km Trip zu den Mitchell Falls am Ende dieser Stichstraße und zurück.

Dachten wir! Erfahren, dass dort über Nacht 50mm Regen runtergekommen sind und der King Edward River so angeschwollen ist, dass die Durchfahrt gesperrt ist. Nix zu machen. Hier regiert die Natur und die interessiert sich für unsere Zeitpläne herzlich wenig. Zum Glück haben wir etwas Reserven. Also erst mal abwarten, ob sich die Situation bis morgen bessert. Das Wetterleuchten in der Nacht lässt nichts Gutes ahnen. Haben wir nicht eigentlich „dry season“?

Pünktlich um 8:00 Uhr lauern alle „Gestrandeten“ an der Tanke, um die neusten „Roadnews“ zu erfahren. Der King Edward River ist wieder passierbar! 110 km nochmals schlechtere Kalumburu Road später erreichen wir den Fluss. Die Strömung sieht zwar ganz schön wild aus, aber da uns auf halber Strecke 2-3 Fahrzeuge begegnet sind, scheint es möglich zu sein. Also fasst sich Tine ein Herz und schiebt unseren „Marty“ durch das überraschend tiefe Wasser. Als gefühlt die Hinterachse dem Flusslauf folgen will, retten wir uns mit Vollgas ans andere Ufer, wo wir mit Beifall empfangen werden. Dort warten bereits drei Fahrzeuge, deren Fahrer noch mit sich ringen, ob sie es wagen sollen (und sich schließlich dagegen entscheiden). Da waren wir wohl etwas mutiger, als uns vorher bewusst war.

Doch wir sind noch nicht am Ziel. Über weite Strecken besteht die „Straße“ aus ausgedehnten Pfützen, denen man kein Profil und keine Tiefe ansehen kann. In dem roten Modder möchte man nicht steckenbleiben. Über zu wenig Abenteuer können wir uns wahrlich nicht beschweren. Für die 80 km bis zu den Mitchell Falls benötigen wir geschlagene 3 Stunden.

Dafür erwarten uns in der Nähe des Campgrounds die Little Merten Falls, wo wir uns etwas abkühlen können. (Es ist immer noch jeden Tag ca. 32 Grad heiß!) Abends experimentiert Jonathan noch, wie man am Lagerfeuer ein Käsetoast zubereiten kann.

Nächster Morgen, nächstes Problem. Der Reifen hinten rechts hat einen Schlag an der Felge abbekommen und verliert Luft. Egal, wir haben 2 Ersatzreifen. Darum kümmern wir uns nach der Wanderung zu den Mitchell Falls. (Wir stehen wegen der Hitze immer etwa zum Sonnenaufgang auf, um möglichst viel der relativ kühlen ersten Tageshälfte nutzen zu können.) Nach ca. 2h Wanderung und einer abenteuerlichen Flussquerung erreichen wir die malerischen 4-fach Wasserfälle.

Aber wo bitte kommt die Gruppe von ca. 30 betagten Touristen her? Klar, mit dem Helikopter vom Kreuzfahrtschiff eingeflogen. So geht es also auch. Wäre aber nicht ganz unser Stil. Andererseits ist die Aussicht vom Helikopter ziemlich spektakulär. So darf unser Kameramann (angesichts des Drohnenverbots in den Nationalparks) den Rückweg in 6 Minuten per Drehflügler zurücklegen – und sich schon mal um den kaputten Reifen kümmern.

Was für ein Glück, dass es bereits Mittag ist, wir heute 36 Grad haben, der Wagen in der prallen Sonne steht und die Radschrauben hervorragend befestigt sind. Ein wirklich unvergessliches Erlebnis. Ich freue mich, als mich Jonathan endlich unterstützen kann und die Mädels mit Handtüchern etwas Schatten spenden.

Machen uns mit neuem Reifen auf den Rückweg bis zum King Edward River. Was für ein Unterschied hier 24 Stunden pralle Sonne machen. Die Pfützen sind deutlich geschrumpft und die Matschfelder zum Teil schon getrocknet. Schneller sind wir trotzdem nicht. Vom ersten (und hoffentlich letzten) platten Reifen sensibilisiert, fahren wir noch etwas vorsichtiger.

Am nächsten Morgen stehen wir wieder an unserem „Schicksalsfluss“. Wohlweislich hatten wir auf der Hinfahrt Fotos der Uferregion gemacht und können uns jetzt anhand markanter Steine sicher sein, dass der Fluss ca. 7cm abgeschwollen ist. (Bleiben noch ca. 50-55cm an der tiefsten Stelle.) Sollte also besser gehen als bei der ersten Querung – und so ist es auch. Spulen das ganze Straßenprogramm rückwärts ab bis zur „Gibb“. Die Kalumburu Road fühlt sich jetzt vergleichsweise gut an und die „Gibb“ ist ab jetzt für uns ein Highway. (Der erste Tankstop in Drysdale ergibt einen Verbrauch von ca. 75l Diesel für das 380km Abenteuer. Zum Glück haben wir einen 140l Tank.) Der wildeste Teil liegt jetzt hinter uns (und war Dank des unerwarteten Regens etwas wilder als erwartet).

Bei der Mt. Elizabeth Station wird es Zeit, mal wieder Wäsche zu waschen und wir knüpfen nette Kontakte zu den anderen Reisenden (ausschließlich Australier), die uns mit guten Tipps für unsere weitere Tour versorgen. In der Nähe liegt der Warla Gorge, der sehr schön und nicht so überlaufen sein soll. Liegt vielleicht daran, dass die 10km Stichstraße nach 4km zu einer Rumpelpiste wird und auf dem letzten Kilometer Off-road-„Vergnügen“ vom Feinsten ist. (O-Ton Tine: „the last kilometer is the worst.“)



Das Mt. Barnett Roadhouse ist (bis auf den winzigen Imintji Store) die einzige Einkaufsmöglichkeit auf der „Gibb“. Wir freuen uns über frisches (tiefgekühltes) Toastbrot und stocken etwas Milch, Porridge, Möhren und Wasser für die restlichen Tage auf. (Es gibt zwar überall Trinkwasser aus dem Hahn, aber Wasser aus Flaschen oder Kanistern schmeckt doch besser.) Im Großen und Ganzen ist unsere Lebensmittelplanung ganz gut aufgegangen. Der dazugehörige Campground ist bislang die größte Enttäuschung. Fürstliche Preise, schlechte Toiletten (nachts ohne Licht) und Campingnachbarn, die die Umgebung stundenlang mit ihrem Generator nerven.



Langsam werden die Temperaturen ab hier erträglicher und wir greifen abends sogar mal wieder auf unsere Fleecejacken zurück. Die Attraktionen der Gegend bestehen naturgemäß aus Schluchten und Flüssen. So überrascht es nicht, dass der nächste Stopp der Bell Gorge ist. Ein Fluss bahnt sich seinen Weg durch grandiose Granitformationen.

Das erste Mal, dass die Mädels auf Baden verzichten (irgendwas von „zu kalt“). Um mehr zu sehen, ist etwas Kletterei erforderlich. Die Ausblicke hinter der Flussbiegung entschädigen für das kleine Abenteuer (und dass allgegenwärtige, lästige Spinifexgras).

Die Abende werden Dank langer, lustiger und interessanter Gespräche mit den sympathischen Campingnachbarn am Lagerfeuer (mit Grillwürsten vom Mt. Barnett Roadhouse!) etwas länger als sonst.


Den Abschluss unserer Gibb-River-Road-Tour bilden der Windjana Gorge und der nahegelegene Tunnel Creek. Ersterer ist am Flussbett gesäumt von unzähligen Freshies. Nicht groß oder gefährlich, vom Baden wird aber dennoch abgeraten, um die Tiere nicht zu provozieren.



Der Tunnel Creek ist, wie der Name erahnen lässt, ein Bach, der durch eine große Höhle fließt. Bedeutet allerdings, dass man die 850m bis zur anderen Seite des Tunnels zum Teil 80 cm tief im Bach watend und mit Taschenlampe zurücklegen musste. Trotzdem – oder gerade deswegen – ein großartiger Ausflug.

Am letzten Morgen noch mal ein neues Highlight. In den Wiesen am Zeltplatz tummeln sich etliche Känguruhs, die sich bislang äußerst rar gemacht hatten. Kaum zu glauben, dass die in Südaustralien eine Landplage sind.

Bleiben noch 141 km (zum Teil sogar asphaltierte) Strecke und wir haben die Gibb-River-Road „überlebt“. Die (mit allen Abstechern) 1.466 km in 14 Tagen waren wirklich faszinierend. Die Entfernungen, die Einsamkeit (der nahezu unerschlossenen Gegend), die Macht der Natur (die wir live erleben durften), die einzigartigen Gorges und Wasserfälle, die Tiere, die netten Reisebekanntschaften, die kleinen und großen Abenteuer … – Alles in Allem ein unvergessliches, großartiges Erlebnis.


12 Gedanken zu „Ein unvergessliches Erlebnis“
Wunderschöne Bilder!
Euch heute früh so fröhlich zu hören und zu sehen war für uns ein äußerst beglückender Tagesauftakt.
Und der neueste Block ist da von EUCH aus dem großen Australien – irre, was ihr alles erlebt –
und so wundervolle Bilder!
Den Vogel konnten wir noch nicht finden. Der Brachvogel ähnelt ihm, hat aber nicht den hellen Hals.
Passt weiter gut auf euch auf und seid herzlichst gegrüßt aus dem sommerlichen Plau am See.
Die australische Trappe ( Ardeotis australis) ist ein gro?er Bodenvogel, der in Grunland, Waldern und offenen landwirtschaftlichen Gebieten in Nordaustralien und Sud -Neuguinea verbreitet ist. Es ist ungefahr einen Meter hoch und seine Flugelspannweite ist ungefahr doppelt so lang.Die Art ist nomadisch, fliegt in Gebiete, in denen es reichlich Nahrung gibt, und kann lange Strecken zurucklegen.Sie waren einst weit verbreitet und in den offenen Ebenen Australiens verbreitet, wurden jedoch in Regionen, die wahrend der Kolonialisierung Australiens von Europaern besiedelt wurden, selten.Die Trappe ist Allesfresser und frisst hauptsachlich Fruchte oder Samen von Pflanzen, frisst aber auch wirbellose Tiere wie Grillen, Heuschrecken, kleinere Saugetiere, Vogel und Reptilien.
Quelle: Wikkibrief.org
Cool. Danke für die Recherche.
Die Rechtschreibung haben wir beim Kopieren einfach mit übernommen. Ist aber trotzdem verständlich.
Da habt ihr in den letzten 14 Tagen ja wieder viel Neues und Einmaliges erlebt. Von den Bildern und Eindrücken könnt ihr sicherlich lange zehren. Wir wünschen jetzt ein paar ruhige Tage zum Ausruhen und dann weiterhin tolle Erlebnisse.
GLG aus Schwerin 😘😘
Endlich wieder ein Reisebericht. Ich schaue jeden Tag nach um neues zu erfahren. Aber bei der Weite ist nicht überall Internet erreichbar. Viel spaß weiterhin.
https://www.hansthiele.de/australia/queensland/queensld-bild-14.htm
Endlich eine Fortsetzung. Hab lange genug gewartet.
Ich glaube, dass man eure Texte ohne viel Aufwand verticken könnte. Schön geschrieben. Schöner Stil.
Habt weiterhin viele schöne Erlebnisse und lasst uns daran teilhaben.
LG Ute und Norbert
Vielen Dank für den Link. Da hatten wir ja Glück, den Vogel zu spotten 😁
was für ein Erlebnis und was für eine tolle Landschaft. Da bin ich ja froh, dass Tine Euch gut durch den Fluss gesteuert hat. Der Termitenhügel hat was Außerirdisches an sich finde ich😀Liebe Grüße aus Braunschweig
Einmal rund um die Erde sagen wir euch,
JASMIN und HENNING,
für die zauberhaft schönen Hochzeitsimpressionen danke. Nicht immer ist der gerade Weg der schnellste, wie wir ja aus down under erfahren🙃
Endlich Kängerus- typisch für mich für Australien. Die Naturimpessionen sind traumhaft. Die Autofahrt war bestimmt Nervenkitzel pur-spart teure Achterbahnfahrten.ALSO WEITER SPANNENDEN URLAUB.
Hammerhammerhammermäßig! Da sagt man, Australien sei der trockenste Kontinent … scheinbar gelogen!!! So ein geiles Auto zu fahren, das macht bestimmt Spaß. Und zum Glück habt ihr ja auch ab und an die Möglichkeit, ins Wasser zu springen. Und: Ich (Thea) könnte mitmachen bei so was !!! Wir sind in Gedanken bei euch und wünschen heile Reifen 🙂 Herzlichst Gerd und Thea