Bucht der Extreme

Bucht der Extreme

Nach dem Ausflug ins „Landesinnere“ fahren wir wieder an die Küste. Aber nicht an irgendeine sondern an die („Trommelwirbel“) Bay of Fundy. Durch die besondere Lage und Form der Bucht entstehen hier mit bis zu 16m die weltweit höchsten Tidenunterschiede. Das wiederum verursacht einige interessante Naturphänomene, die wir uns in den nächsten Tagen anschauen wollen. Aber zuerst düsen (bzw. bei den hiesigen Straßenzuständen „rumpeln“) wir zur schmalen Landspitze Digby Neck und können dort zwei Mal einzelne Wale vom Ufer aus beobachten.

Steht da wie angewurzelt.
Zwar weit entfernt, aber dort haben wir einen Wal beobachtet.

Weiter geht’s nach Digby, der Heimat der größten Scallop-Fangflotte, wo gerade (nach zwei Jahren Coronapause) das große Scallopfestival stattfindet. Spannend zu sehen, wenn erfahrene Fischer um die Wette die Muscheln öffnen und gekonnt den schmackhaften Muskel vom Rest des Tiers trennen.

Schnell und präzise – gelernt ist gelernt.
Josephina hat sich die richtige Technik zeigen lassen. Der Rest ist Übung.

Frischer kann der Nachschub für den Scallop BBQ nicht sein – lecker. Dazu noch Livemusik und viel Brimborium. Ein großes Fest für die kleine Gemeinde. Am Sonnabend lädt dann der große Farmers Market im nahegelegenen Annapolis Royal zu einem Besuch ein. (Für die „Fluch der Karibik Fans“: Vor der Übernahme durch die Engländer hieß der Ort Port Royal. „Willkommen in Port Royal Mr. Smith!“)

Hätte Tine ja auch gleich sagen können, dass es dort auch Craftbeer gibt.

Das einzige Gezeitenkraftwerk in Nordamerika lässt sich leider nicht besichtigen (Schade, dass hätte uns sehr interessiert.), dafür aber eine originalgetreue Rekonstruktion der ersten europäischen Siedlung (nach den Wikingern).

Viel Liebe zum Detail und ein guter Textguide machen das kleine Museum zu einem lohnenden Ausflug.

Am Sonntag verlassen wir dann vorerst Nova Scotia und setzen per Autofähre auf die andere Seite der Bucht in die Provinz Neu Braunschweig über. (Wir sind also fast wieder zu Hause.) Leider ist durch den dichten Nebel nicht viel zu sehen.

Hier gibt es sogar bei Subway frischen Hummer.

In Saint John bewirken die bereits erwähnten Tidenunterschiede ein besonderes Schauspiel: die reverse rapids. Die beachtlichen Stromschnellen des St. John River schwächen sich mit steigender Flut zu einem ruhigen See ab bis sich die Fließrichtung umkehrt und letztlich ein reißender Strom bis zu 80km landeinwärts fließt. Ein irres Spektakel. (Wir haben eine Robbe beobachtet, die große Mühe hatte, gegen die Strömung anzukämpfen.)

Bei Ebbe wilde Stromschnellen …
… bei Flut ein reißender Strom landeinwärts.

Ein Abstecher ins Landesinnere bringt uns nach Kings Landing, einem Museumsdorf, das das Leben im 18. Jahrhundert nachstellt. Durch die „Bewohner“, die dort ihrem „regulären Treiben“ nachgehen, kann man sehr gut in die Vergangenheit eintauchen. Leider ist der Spaß nach 2,5h schon wieder vorbei: Stromausfall in großen Teilen von New Brunswick! Schade, wir hätten gern noch mehr gesehen.

Eine Sägemühle in Aktion zu erleben ist schon ein Erlebnis.
Ein Herd mit rauchisoliertem Ofen – Luxus.

Also weiter nach Moncton zum Magnetic Hill, einem geographischen Kuriosum. Nach Entrichtung einer kleinen Gebühr soll man bis zum Pfahl am Ende der Senke fahren und dort auf der linken Spur parken und in den Leerlauf gehen. Okay. So weit, so unspektakulär. Nie im Leben rollt das Auto jetzt den Berg vor uns hinauf. Stimmt! Nur das der Wagen plötzlich anfängt die „Senke“ rückwärts wieder hinaufzurollen. Eindrucksvoll. Das Ganze basiert auf einer optischen Täuschung, da man den Horizont nicht sehen kann.

Der Magnetic Hill ist perfekt, um Patzer zu erklären.

In Moncton meldet sich auch 2x täglich der letzte Ausläufer der Bay of Fundy mit einer sogenannten Gezeitenwelle, die eindrucksvoll nicht sehr hoch aber gleichmäßig und mit Macht den Fluss hinaufläuft.

Der Surfer hatte ein paar hundert Meter seinen Spaß.

Danach arbeiten wir weiter fleißig unseren Reiseführer ab und erfahren im Lobstermuseum in Shediac (DER Hummerhauptstadt) alles über Hummer, besuchen den wärmsten Strand der kanadischen Atlantikküste (wo allerdings gerade wegen zu hoher Bakterienbelastung vom Baden abgeraten wird) und laufen den gewundenen Boardwalk der Dünen von Bouctouche ab.

Shediac – Hier dreht sich alles um Hummer.
Am Parlee Beach kommt fast Ostseefeeling auf.
Die Düne ist 12km lang – der Boardwalk zum Glück nicht.

Die Städtenamen lassen es schon erahnen, in New Brunswick wird in vielen Regionen die akadische Tradition sehr gepflegt. (Akadier sind die Nachkommen der ersten französischen Siedler.) Die allgegenwärtige Zweisprachigkeit ist einerseits nachvollziehbar für ein gleichberechtigtes Zusammenleben der unterschiedlichsprachigen Bevölkerungsgruppen, führt aber auch zu einigen Kuriositäten. Auf einer Gedenktafel wurden z.B. die historischen Hochwasserstände vollständig jeweils einmal mit einem Punkt und einmal mit einem Komma als Dezimalstelle aufgelistet. Und ob auf einem Autobahnwegweiser (das lateinische) Nova Scotia noch mal mit Nouvelle Ecosse übersetzt werden muss – na ja. Macht halt jeder anders! Apropos Autobahn: Bei Moncton führt mitten über die 6-spurige Autobahn ein Bahnübergang. Ein paar Warnlampen über der Autobahn, falls mal ein Zug kommt – fertig.

An Regentagen bastelt Josephina (streng mathematische) Zahnstochertürme.

Zum Abschluss unserer „Bay of Fundy Tour“ wollen wir die Gezeitenunterschiede noch einmal hautnah erleben. Bei den Hopewell Rocks kann man bei Ebbe auf dem „Meeresboden“ zwischen den riesigen Säulen und Bögen herumlaufen und bei Flut mit dem Kayak zwischen den kleinen Inseln und Höhlen hindurchfahren. Was für ein Unterschied bei 14m Tidenhub. Wir haben Glück und erwischen einen (der in letzter Zeit seltenen) sonnigen Tage ohne Wellen und Wind mit nahezu maximalem Tidenhub.

Ebbe …
… Flut!
Und wir mittendrin.

Zufrieden verabschieden wir uns von New Brunswick, um in der letzten Woche noch den Osten von Nova Scotia zu erkunden. Letzte Woche? Ja, so langsam müssen wir der Wahrheit ins Auge blicken, dass jede Reise irgendwann zu Ende geht. Andererseits haben wir auch schon wahnsinnig viel erlebt und freuen uns auch schon ein bisschen auf zu Hause.

VW ist auch in Kanada Kult.

10 Gedanken zu „Bucht der Extreme

  1. Da habt ihr ja in Kanada auch wieder sehr schöne und interessante Ecken gefunden. Wir sind heute um den Pfaffenteich gewandert und haben ein paar Rennen der Drachenboote beobachtet. Ansonsten war es sehr heiß und wir haben das Grillen in die Abendstunden verlegt. Wir wünschen euch noch ein paar schöne, erholsame Tage in Kanada.
    Ganz liebe Grüße aus Schwerin. 😎😎😎

  2. HOPEWELL – da kommen Neuseeland-Erinnerungen. Wir lesen noch einmal nach:
    „ … lange Badetreppe … erstaunliche fünf Metern zwischen Ebbe und Flut.“
    Und jetzt kommt euer beeindruckender Naturbericht, irre.
    Übrigens, coole Frisur, Tine! Tankt weiter diese Ruhe, Entspannung, die leuchtenden Farben, Weite und das Zusammensein. Josephina, jetzt bist du die richtige Prinzessin, oder!?
    Auf das Wiedersehen freuen wir uns auch schon sehr … mit oder ohne Bart, Basti?
    Herzlichst Eure beiden D&A

  3. Hi, ihr lieben DREI! Dieser Tidenhub ist schon krass, und da mit dem Kayak rumfahren bei Flut macht sicher Laune … 14-17m=enorm und fast unvorstellbar. Die Siedlerhäuser erkennt man schon, könnte sie aber wirklich nach Skandinavien „stecken“. Was hast du, liebe Josephina, denn bei dem Turm berechnet? Ich Depp hätte einfach drauf los gebaut :(! Habt ihr euch mal mit Sea-food „überfressen“? Man kann doch wohl auch so eine Eiweiß-Vergiftung bekommen, wenn man zu viel davon isst?!? Ha, und ich habe das Stolz-T-Shirt erkannt … direkt neben VW :)!!!Und die Ostsee ist in diesem Jahr auch sehr schön warm und auf der Schaabe auch sauber! Herzlichst Gerd und Thea

  4. Ich freue über eure Urlaubsberichte. Erst wenn man slebst den Tiedenhub gesehen hat spürt man die gewaltigen Kräfte der Natur. Gute Erholung und gute Heimfahrt wünsche ich euch.

  5. Der Bericht und die Bilder sind toll und fesselnd. Einfach super.

    Wir haben uns sehr über eure Karte gefreut. Habt vielen lieben Dank ☺️

  6. Ihr Lieben, heute kamen zwei Karten von euch an: Eine von den langsam wieder wärmer werdenden Nächten auf der Reise gen Norden in Australien und eine aus Lunenburg! Vielen Dank, sie begleiten uns in der Küche😊 … so denken wir oft an euch und wünschen jetzt eine gute letzte Zeit bzw. Rückfahrt! Es darf dann mit den Flügen auch mal was klappen 😇! Bis bald in WOB!

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